Von der Kunst es selbst zu lernen: Baby Led Weaning
Welche Mutter kennt es nicht? Mit dem positiven Schwangerschaftstest beginnt eines der größten Abenteuer einer Frau. So unterschiedlich wie die Gefühle in dieser Situation sein mögen, so kennt eines doch jede von uns: Das Gefühl vorbereitet sein zu wollen. Wir wälzen uns durch unzählige Ratgeber, lesen Artikel, sprechen mit anderen Müttern und stoßen dabei auf allerhand unbekannte Begriffe.
Als ich zum ersten Mal die drei Worte Baby Led Weaning las, übersetzte ich sie zuerst wörtlich: Vom Baby geführtes Abstillen. Schnell stellte ich jedoch fest, dass es sich hierbei nicht nur um ein natürliches, vom Kind ausgehendes Abstillen handelt, sondern um eine gesamte Ernährungsphilosophie.
Was ist BLW?
Baby Led Weaning (kurz: BLW) bezeichnet das Einführen von fester Nahrung - ohne Pürierstab und Löffel. Das Baby sitzt ab dem Beginn der Beikosteinführung mit der Familie am Tisch und isst selbstständig das, was es bereits essen kann.
Wie funktioniert BLW?
Zunächst einmal sollten sich die Eltern sicher sein, dass das Baby bereit ist für die Aufnahme fester Nahrung. Experten gehen davon aus, dass dies mit ungefähr sechs Monaten der Fall ist, wenn
... das Baby (weitgehend) selbstständig sitzen kann.
... es großes Interesse am Essen zeigt, danach greift und versucht es sich in den Mund zu schieben.
... der Zungenreflex soweit verschwunden ist, dass das Baby nicht automatisch feste Nahrung aus seinem Mund schiebt.
Wenn dies der Fall ist, dann darf das Baby (im Idealfall) mit der Familie am Tisch sitzen und an der Mahlzeit teilnehmen. Am einfachsten gelingt es, wenn alle die gleichen Lebensmittel essen, so dass der kleine neugierige Esser beobachten und imitieren kann. Dazu werden dem Kind geeignete, weiche Lebensmittel angeboten, indem man diese auf einen Teller oder das Tablett des Hochstuhls legt. Das Baby darf sich dann selbst aussuchen, was es probieren möchte, es in die Hand nehmen und in den Mund stecken. Zu Beginn eignen sich am besten fingerdicke Streifen oder Stäbchen, da es diese am leichtesten greifen kann. Allmählich werden dann weitere Formen und Konsistenzen eingeführt. Das Baby füttert sich ausschließlich selbst und entscheidet, wie viel es essen möchte. Die Eltern animieren es nicht zum Weiteressen, wenn es aufhört sich selbst Essen in den Mund zu stecken und helfen auch keinesfalls nach. Zum Essen wird dem Baby Wasser angeboten, das es trinkt wenn es möchte.
Welche Lebensmittel eignen sich?
Grundsätzlich eignen sich die meisten, gesunden Nahrungsmittel, so lange sie weich genug sind um vom Baby gekaut (oder mit den Kauleisten gequetscht) zu werden. Gedünstetes Gemüse, gekochte Nudeln oder Kartoffeln, weiches Obst, Brot, die meisten Sorten Fisch und gegartes Fleisch.
Unbedingt verzichten sollte man auf Honig, rohes Ei, Nüsse, Schalentiere, Haifisch, Marlin und Fast Food im Allgemeinen, sowie Nahrungsmittel mit zugefügtem Salz oder Zucker.
Selbst wenn das Baby noch keine Zähne hat, kann es an verschiedenen Lebensmitteln lutschen oder sie mit seinen starken Kauleisten zerdrücken.
Sollte es in deiner Familie Fälle von Nahrungsunverträglichkeiten, Allergien oder Verdauungsbeschwerden geben, sollte der Beikoststart mit deinem Kinderarzt oder deiner Hebamme besprochen werden.
Die Angst vor dem Verschlucken
Nachdem ich zum ersten Mal über BLW las, stellte sich mir sofort die Frage: Muss ich da nicht Angst haben, dass sich mein Schatz fürchterlich verschluckt?
Befürworter des breilosen Beikoststarts verweisen hier auf die natürliche Entwicklung des Kindes: Babys sind erst dazu in der Lage, Essen im Mund in Richtung Rachen zu schieben, wenn sie bereits die Fähigkeit zu Kauen entwickelt haben. Da diese sich in der Regel bereits vor der Fähigkeit nach kleineren Gegenständen zu greifen entwickelt, dürfen Eltern davon ausgehen, dass der kleine Esser sicher kauen kann, wenn er dazu in der Lage ist seine Nahrung selbstständig aufzuheben und sich in den Mund zu stecken.
In der Theorie besteht also keine Gefahr, wenn
... das Baby beim Essen aufrecht sitzt, so dass keine Nahrung in seinen Hals rutschen kann.
... niemand anderes dem Baby das Essen in den Mund schiebt.
... kleine, runde Nahrung wie z.B. Kirschen in zwei Hälften geschnitten werden.
... das Baby NIEMALS alleine gelassen wird, während es isst.
Tipps
- Biete dem Schatz so große Nahrungsstücke an, dass ein Stückchen vom Essen aus der Babyfaust herausragt wenn es diese zum Mund führt. Kleine Esser können zu Beginn oftmals noch keinen Pinzettengriff! Gut geeignet sind hier Lebensmittel in Stiftform oder mit Griff (z.B. Brokkoliröschen).
- Erwarte nicht, dass dein Baby sofort tatsächlich isst. Zum Entdecken von Nahrung gehört auch das Anfassen und das damit Spielen. Wenn der kleine Esser herausgefunden hat, dass etwas gut schmeckt, wird er auch essen.
- Vielfalt und Wiederholung! Babys sind neugierig und ändern ihre Meinung häufig. Es lohnt sich also nicht nur ständig neue Lebensmittel anzubieten, sondern auch im Vorfeld abgelehnte immer wieder zu servieren.
- Es könnte unordentlich werden. Eine Unterlage unter dem Hochstuhl schont den Boden und ermöglicht es heruntergefallene Lebensmittel aufzuheben und noch einmal anzubieten.
- Auch BLW ist Beikost. Das Baby ernährt sich auch hier immer noch hauptsächlich über Muttermilch oder Säuglingsnahrung. Die festen Lebensmittel stellen eine Ergänzung dar, keinen Ersatz!
- Eine positive Grundstimmung weckt die Neugier und stärkt das Selbstvertrauen. Das Familienessen sollte also am allerbesten eine vergnügliche Angelegenheit sein.
Was sind die Vorteile von BLW?
Die Befürworter des BLW gehen davon aus, dass das Verdauungs- und Immunsystem von Babys erst im Alter von sechs Monaten ausgereift genug ist, um feste Nahrung aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt ist auch die Fähigkeit zu Greifen und zu Kauen so weit ausgeprägt, dass auf ein Pürieren und Füttern verzichtet werden kann. BLW entspricht demnach der natürlichen Entwicklung von Babys, ganz im Gegensatz zu dem verfrühten B(r)eikoststart mit vier Monaten.
Beim Stillen entscheiden Babys selbst über die Menge und das Tempo ihrer Nahrungsaufnahme. BLW erlaubt dies auch weiterhin.
Außerdem sind Babys neugierig und möchten die Welt mit all ihren Sinnen entdecken und erforschen. Dazu gehört auch die Nahrungsaufnahme.
Negative Stimmen
Auch wenn die Gründe für die selbstbestimmte Nahrungsaufnahme durch BLW sinnvoll und natürlich erscheinen, gibt es Gründe diese Methode der Beikost zu hinterfragen.
Besonders wenn bereits abgestillt wurde, warnen Kinderärzte vor einem Nährstoffmangel durch die selbstbestimmte Ernährung. Gerade ein Eisenmangel kann schnell entstehen, da Babys lange nicht dazu in der Lage sind Fleisch tatsächlich zu essen, anstatt nur daran zu lutschen.
Darüber hinaus bietet eine herkömmliche Beikosteinführung eine einfachere Kontrolle darüber wie viel tatsächlich gegessen wurde. Gerade bei der Gefahr einer Allergie kann ein junger Esser durch das Füttern langsam und kontrolliert an das potentiell auslösende Nahrungsmittel herangeführt werden.
Brei oder BLW?
Obwohl mir die Vorteile der breifreien Ernährung einleuchten und ich meine Tochter möglichst natürlich ernähren wollte, konnte ich nie die Angst vor dem Verschlucken ablegen. Glücklicherweise muss man sich ja nicht am Tag des beginnenden siebten Lebensmonats für einen Weg entscheiden.
In unserem Fall hat meine kleine Tochter mit sehr viel Freunde und (zuweilen mehr Sinnen als mir lieb waren) die Welt der Nahrungsmittel in pürierter Form erkundet und später mit zunehmendem Interesse und motorischen Fähigkeiten langsam begonnen festere Lebensmittel selbstständig zu essen. Beide Ernährungsweisen ermöglichen ein vielfältiges Angebot, wecken das Lust und das Interesse an unterschiedlichen Geschmäckern und fördern die Selbstständigkeit und das Selbstvertrauen - wenn man sie richtig anwendet!
Jetzt mit knapp anderthalb Jahren spießt meine Kleine fröhlich Nudeln auf ihre Kindergabel auf und streckt sie mir stolz entgegen. Ob sie jetzt schon Erbsen aufspießen könnte, wenn sie von Anfang an feste Nahrung zu sich genommen hätte, weiß ich nicht. Darauf kommt es aber auch nicht an. Unser Weg war die goldene Mitte. Was ist euer Weg?