Pränataldiagnostik – Methoden, Chancen und Grenzen
Unter dem Begriff „Pränataldiagnostik“ versteht man die vorgeburtliche Diagnostik mittels verschiedener Untersuchungen und Tests zur Anamnese von (genetischen) Fehlbildungen oder Störungen beim Fötus. Lesen Sie hier welche Methoden der Pränataldiagnostik möglich sind, welche Chancen sie bieten, aber auch welche Grenzen der vorgeburtlichen Diagnostik gesetzt sind, vor allem auch im Hinblick auf ethische Fragestellungen.Die Methoden der Pränataldiagnostik
In der vorgeburtlichen Diagnostik wird unterschieden zwischen invasiven und nicht invasiven Verfahren. Invasive Methoden sind immer mit einem Eingriff in den Körper der Mutter verbunden, nicht invasive Verfahren beziehen sich auf verschiedene Bluttests oder Ultraschalluntersuchungen. Alles in allem gehen die meisten Verfahren der Pränataldiagnostik über die im Mutterpass vorgesehene normale Vorsorge hinaus. Sie werden nur auf Wunsch, mit schriftlicher Einwilligung der Mutter und teilweise auch nur nach vorheriger Beratung durchgeführt. Die Kosten für die medizinischen Verfahren sind Leistungen, die nicht von den Kassen übernommen werden und somit von der Schwangeren selbst zu tragen sind.
Nackenfalten-Test und Ersttrimesterscreening
Die Messung der Nackenfalte mittels Ultraschall gehört nicht zu den gesetzlich vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen, wird nur mit Einverständnis der Schwangeren in der 12. bis 14.
Schwangerschaftswoche durchgeführt und kann Hinweise auf das Down-Syndrom, eine andere chromosomale Aberration oder einen Herzfehler geben. Sollte bei der Untersuchung ein Verdacht auf genannte Störungen entstehen, sind weitere Untersuchungen zur sicheren Diagnosestellung nötig. In Verbindung mit dieser Methode werden meist noch Bluttests durchgeführt, aus denen dann unter Berücksichtigung des Alters der Mutter eine gewisse Risikowahrscheinlichkeit für eine genetische Störung beim Ungeborenen errechnet wird.
Das Ersttrimesterscreening mit Bluttests und Nackenfaltenmessung ist sehr umstritten, da es werdende Eltern in Bezug auf das Ergebnis überfordern und beunruhigen kann. Tests können positiv ausfallen, obwohl das Kind gesund ist. Es geht hier um die Berechnung einer Wahrscheinlichkeit, die Ergebnisse sind nicht immer aussagekräftig. Die Tatsache, dass 95 bis 97 Prozent der Babys mit auffälliger Nackenfalte dennoch einen normalen Chromosomensatz haben, lässt aufhorchen. Weitere Verfahren zur Absicherung der Diagnose wie eine Fruchtwasseruntersuchung werden nun nötig, was die Gefahr einer Fehlgeburt in sich birgt, da diese mit einem Eingriff in den Körper der Mutter verbunden sind.
Chorionzottenbiopsie
Dieses Verfahren bezeichnet eine Plazentapunktion im Körper der Schwangeren. Durch die Bauchdecke und die Gebärmutterwand der Schwangeren wird aus dem Mutterkuchen Zellgewebe entnommen und im Hinblick auf den Chromosomensatz des Kindes untersucht. Diese Untersuchung kann zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden und kommt meist infolge eines auffälligen Ersttrimesterscreenings zum Einsatz. Zu bedenken ist, dass bei dieser Untersuchung die Gefahr besteht, dass es zu vorzeitigen Wehen und im schlimmsten Fall zu einer Fehlgeburt kommen kann.
Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung)
Bei dieser Methode wird Fruchtwasser aus der Fruchtblase entnommen und untersucht. Mit einer dünnen Hohlnadel dringt der Arzt oder die Ärztin durch die Bauchdecke und die Gebärmutterwand in die Fruchtblase ein und entnimmt etwas Fruchtwasser. Dieses enthält ebenfalls Zellen des Ungeborenen, die danach im Labor genauer unter die Lupe genommen werden. Diese Untersuchungsmethode ist ab der 15. Schwangerschaftswoche einsetzbar. Mit Hilfe der Fruchtwasseruntersuchung können ebenfalls chromosomale Störungen oder auch Neuralrohrdefekte wie spina bifida (offener Rücken) festgestellt werden. Auch diese Untersuchung birgt Risiken für Mutter und Kind: Es kann zu einer Verletzung des Ungeborenen, zu Fruchtwasserabgang und auch zu einer Fehlgeburt kommen.
Cordozentese (Nabelschnurpunktion)
Mit diesem Verfahren kann das kindliche Blut aus der Nabelschnur entnommen und untersucht werden. Dies liefert Hinweise auf Infektionen oder Blutarmut beim Kind. Auch eine Rhesusfaktorunverträglichkeit mit dem Blut der Mutter kann so festgestellt werden. Durchgeführt werden kann die Punktion der Nabelschnur ab der 18. Schwangerschaftswoche. Die Untersuchung setzt voraus, dass die Schwangere einwilligt und vorher vom Arzt humangenetisch beraten wird.
Denn nicht nur behandelbare Infektionen können so diagnostiziert werden, sondern auch Chromosomenaberrationen. Da es sich wie die beiden vorher beschriebenen Verfahren um einen invasiven Eingriff handelt, bestehen ebenso die Risiken von vorzeitigen Wehen, Blutungen oder einer Fehlgeburt.
Beruhigt oder verunsichert Pränataldiagnostik die Schwangere?
Natürlich wünscht sich jede Schwangere bzw. jedes Elternpaar ein gesundes Kind. Medizinische Möglichkeiten um dies bereits im Vorfeld zu erfahren gibt es genügend. Sie wurden eben vorgestellt. Dennoch hat jede Diagnostik auch seine Grenzen und kann zu unnötiger Sorge und Beunruhigung beitragen. Erstbefunde sind oft nicht eindeutig, weitere Untersuchungen müssen folgen, verbunden damit sind die Gefahren einer Fehlgeburt. Die Frau kann die Schwangerschaft nicht unbelastet genießen und steht unter einer enormen psychischen Belastung. Oft ist nur ein kleiner Teil der Behinderungen bereits vor der Geburt zu diagnostizieren, hundertprozentige Sicherheit gibt es nie. Im Endeffekt muss die Schwangere oder das Elternpaar sich selbst hinterfragen, ob sie die Methoden der Pränataldiagnostik ausschöpfen möchten oder nicht.
Die Untersuchungsergebnisse sind da – die ethische Seite
Werdende Eltern, die sich für Pränataldiagnostik entscheiden, sollten sich bereits im Vorfeld besprechen, warum sie dies tun und wie sie mit etwaigen für sie negativen Ergebnissen umgehen.
Die Entscheidung für die vorgeburtllichen Untersuchungen sollte stets reflektiert und mit Hinblick auf Folgeentscheidungen getroffen werden. Bei einer festgestellten Behinderung oder schweren Beeinträchtigung des Kindes steht das Elternpaar immer vor der Entscheidung das behinderte Kind zu bekommen oder einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Nach der 12. Woche kann ein Spätabbruch aus medizinischen Gründen erfolgen. Dies ist noch bis zur Geburt der Fall, wenn schwerwiegende Gefahr für die mütterliche Gesundheit besteht, das Kind eine lebensbedrohliche Erkrankung hat oder wenige Wochen nach der Geburt sterben würde. Offener Rücken, Trisomie 21 oder andere Fehlbildungen sind keine Indikation für einen Spätabbruch. An dieser Stelle müssen Eltern Beratungen in Anspruch nehmen, bei Entscheidung für Spätabbruch schaltet sich immer eine Ethikberatung oder ein Ethikkommitee ein.
Viele werdende Eltern entscheiden sich während der Schwangerschaft bewusst gegen die weiterführenden Methoden der Pränataldiagnostik und nehmen „nur“ die gesetzlich vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen wahr. Oft werden ganz bewusste Aussagen getroffen wie: „Ich nehme mein Kind an so wie es ist – ob gesund oder behindert.“ Vielleicht kann mit dieser Einstellung die Schwangerschaft und Geburt des Kindes befreiter und unbeschwerter genossen werden. Wertungen in diesem Zusammenhang dürfen natürlich nicht getroffen werden. Die Entscheidung für oder gegen die Methoden der Pränataldiagnostik sind ganz individuelle Entscheidungen.
Egal ob für oder gegen, jede Schwangere und jedes Elternpaar muss sich jedoch immer der Konsequenzen bewusst sein, die die jeweilige Entscheidung mit sich bringt.
[KG]